Ich sitze im Durchgangsbereich, der von zwei Vorhängen, die aus einzelnen Plastiklappen bestehen, vom Rest der Welt abgetrennt wird. Es ist kalt und ich trage immer noch die dicke Winterjacke. Februar. Vor mir auf dem Tisch steht die billige Ikeatasse mit dem verdächtig schämigen Maschinenkaffee, die ich schon seit dem ersten Morgen immer wieder benutze. So sollte Kaffee in Italien aber nicht schmecken. So würde er aber auch nie in Deutschland schmecken. Da Kaffee ohnehin in Italien immer besser schmeckt als Zuhause, schmeckt auch dieser Kaffee mit seinem braunen, aufgedunsenen Schaum nicht schlecht. Schon während ich den ersten Schluck aus der Tasse nehmen, denke ich über das stille Abkommen nach, was der Frühdienst der Rezeption [hier noch dazuschreiben, dass es generell um die Schicht geht und nicht um die Personen, die sie belegen] und ich haben. Jeden Morgen lasse ich ihm diesen grauen Krug wortlos als ein Zeichen von Zivilisation auf den sonst leeren Tischen stehen.
Außer ein paar älteren Männern gibt es nämlich sonst kaum Gäste zu dieser Jahreszeit. Gerade gestern hatte ich ein sehr geistreiches Erlebnis mit einem der älteren Herren, die öfter mal leicht angeschwipst zu sein scheinen. Als ich in der Küche, die den Gästen zur Verfügung steht, Pasta kochen wollte [wir befinden uns schließlich in Italien – Teil weglassen?], wies er mich in gebrochenem Englisch darauf hin, dass der Gusstopf für den Induktionsherd nicht geeignet sei. Dem folgte ein Schwall von italienischen Wörtern, die nicht Gutes zu heißen hatten. So weit gehen meine Sprachkenntnisse noch. Eben dieser Mann sitzt ein paar Meter weiter an einem leeren Tisch außerhalb des durch die Kühlhausvorhänge abgehängten Bereiches und pafft an einer Zigarette. Bizarres, paradoxes Bild. Wie er da sitzt, neben ihm im länglichen Hinterhof die bunten Outdoortischreihen mit den nicht-dazugehörigen Stühlen. Extra bunt soll es sein.
Ihn scheinen die 3 Grad nicht zu stören, die hier in den letzten Tagen den Morgen beherrschten. Mich auch nicht. Vor allem nicht, wenn ich daran denke, wie das freundliche Wetter uns drei Tage zuvor in Mailand begrüßte, wo wir mit dem Zug aus Como hinfuhren, um zu essen und zu essen und zu essen und zu essen. Neben dem obligatorischen Dombesuch sahen wir sonst nichts. In Mailand war ich aber schon mal, tolle Stadt [später den Blogbeitrag zu Mailand anteasern]. Vor zwei Tagen gab es gleich nochmal so schönes Wetter. Den Tag verbrachten wir in Como und fuhren ins Villenviertel nach Brunate hoch. 715 Meter ging es mit der Seilbahn aufwärts. Trotz der Sonne, die ich dieses Jahr das erste Mal zu Gesicht bekam und der bunten Farben, war die Sicht nicht ganz klar [dummer Satz, lieber was zum kribbeln auf der Haut und davon, wie die Sonne mir ins Gesicht schien schreiben].
Ob diese PVC-Vorhänge immer so milchig waren? Ein Windstoß lüftet einmal durch und klatscht die Planen wild gegen Wände, Tische und Stühle. Besorgt guckt die junge Rezeptionistin aus ihrem Kämmerlein. Der Alte lässt sich nicht verunsichern, unbeeindruckt pafft er weiter an seiner Fluppe. Von Tag zu Tag ist der Wind stärker geworden. Heute scheint er seinen emotionalen Ausbruch nicht mehr aufhalten zu können und entlädt sich willenlos. Ich stelle mir die Wellen des Comer Sees vor, die wild gegen die Kaimauer klatschen und kleine, weiche Schaumkrönchen erzeugen. Schon gestern, als wir etwas in Richtung Cernobbio raus sind, wurden die landenden Wasserflugzeuge von den Wellen in ihr Quartier neben dem Fußballstadion geschwemmt. Übrigens ist es lustig, dass ich fast in Cernobbio war, denn dort lebt der guter Vincent, ein alter Deutscher, der nach dem Tod seiner Frau ausgewandert ist [erwähnen, dass er eine fiktive Figur aus einer alten Geschichte ist, sonst für den Leser unverständlich!!!].
Ich kippe den letzten Schluck in mich hinein und stelle die 0815-Tasse, mein Vermächtnis, auf den Holztisch vor mir. Dann greife ich meine Tasche und das Buch, nach dessen Vorbild ich diesen Beitrag schreiben wollte, denn vor mir höre ich die Worte „Komm, wir fahren“. Genau so müsste ich auf meinem Blog erzählen, wie wir ein paar Tage in Norditalien verbracht haben, doch wieder einmal war ich zu faul, um mich cool in eine Lobby zu setzen und produktiv zu schreiben, wieder alles nur in meinem Kopf bis zur Vollkommenheit geplant, ausgearbeitet und wieder vergessen.



Ein Gedanke zu “Das Hotel zwischen den Bergen”